Warum die Baha’i am interreligiösen Dialog teilnehmen
Bereits während der Zeit der muslimischen Dynastie der Abassiden trafen sich in Bagdad Muslime und Christen
zu Gesprächen. Später dann im Jahre 1893 trat das Parlament der Religionen der Welt in Chicago zusammen, darunter auch Baha’i-Vertreter. Damals wurde die "Goldene Regel" formuliert. Gelehrte wie Swami Vivekananda oder Hans Küng befruchteten den Dialog zwischen den Religionen weiter und weltweit setzen sich Menschen und Institutionen für gemeinsame Werte ein. 1970 wurde in Kyoto die World Conference on Religion and
Peace (WCRP) gegründet, aus der Einsicht, dass ohne Dialog auch kein Friede möglich ist.
Es hat sich gezeigt, dass der interreligiöse Dialog auf verschiedenen Ebenen stattfindet:
1. in einem theologischen Austausch, wo es darum geht, die beteiligten Religionen kennen zu lernen und bestehende Berührungsängste abzubauen.
2. In einem Dialog über gesellschaftspolitische Themen, wo praktische Fragen erörtert werden, und
3. in einem spirituellen Dialog.
Baha’u’llahs Auftrag an seine Anhänger lautet, „Verkehret mit allen Religionen in Herzlichkeit und Eintracht“. Er betont die Bedeutung von Treue, Aufrichtigkeit, Duldsamkeit, Freundlichkeit und legt Seinen Anhängern nahe, sich auf das Verbindende zu konzentrieren, in der Absicht, „Frieden unter den Menschen zu stiften, Einheit zu fördern und zur Aussöhnung unter den Anhängern verschiedener religiöser Bekenntnisse beizutragen“.
Das Prinzip der „selbständigen Suche nach Wahrheit“, gilt für alle am interreligiösen Dialog Beteiligten, d.h. auf Missionierung wird verzichtet und allen soll Respekt gezeigt werden. Letztlich geht es darum zur Einheit beizutragen. Fundamentalismus, von welcher Seite auch immer, hindert in entscheidendem Masse den interreligiösen Dialog und dessen Zielsetzung.
Auch auf institutioneller Ebene bringen sich die Baha’i in den Dialog ein und sprechen den aus ihrer Sicht nötigen Handlungsbedarf an. Das Universale Haus der Gerechtigkeit, das oberste Gremium der Baha’i-Weltgemeinde, hat sich bereits im April 2002 „an die religiösen Führer der Welt" gewandt und zu Voraus- setzungen und Zielen des interreligiösen Dialogs Stellung bezogen. „Ohne Zweifel verdanken die Völker der Welt, welcher Rasse oder Religion sie auch angehören, ihre Erleuchtung derselben himmlischen Quelle. Sie sind einem einzigen Gott untertan. Unterschiede der Regeln und Riten, denen sie folgen, müssen den wechselnden Erfordernissen und Bedürfnissen der Zeitalter zugeschrieben werden, in denen sie offenbart wurden“, so Baha’u’llah.
Ein solcher Appell fordert keineswegs dazu auf, den Glauben an die grundlegenden Wahrheiten irgendeines der grossen Glaubenssysteme der Welt aufzugeben. Jedoch weist es auf die Notwendigkeit hin, jene Ansprüche auf Ausschliesslichkeit oder Endgültigkeit aufzugeben, die mehr als alles andere Einigungsimpulse zunichtemachen und Hass und Gewalt schüren, indem sie das Leben des Geistes zerstören.
Nach Baha’i-Auffassung kann jede der grossen Religionen glaubhaft ihre Wirksamkeit beim Fördern eines mitfühlenden und wahrhaftigen Charakters bezeugen, wobei es in einer vernetzten Welt ganz natürlich ist, dass Umgangsmuster einem ständigen Wandel unterworfen sind.
Im Wissen darum, dass auch Vertreter der Religionen immer wieder für kriegerische Auseinandersetzungen verantwortlich waren und unter dem Deckmantel der Religion Unterdrückung und Gewalt rechtfertigten, ist es lebensnotwendig, den interreligiösen Dialog weiter zu pflegen, um gemeinsam zu einer friedlichen und gerechten globalen Welt beizutragen. Als am RTdR vertretene Religionsgemeinschaft sind die Baha’i bereit, ihre ethische Verantwortung wahrzunehmen. Insbesondere angesichts von Vorurteilen und Ablehnung gegen Andersgläubige ist es wichtig, in der pluralistischen und säkularen Schweiz Zeichen zu setzen, und so den sozialen Zusammenhalt zu stärken.
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